Verdruss.

In der Kopfzeile dieses Blogs steht es geschrieben: „Wenn der Knoten platzt“. An genau dieser Stelle bin ich mit Abpfiff des Spiels bei Fortuna Düsseldorf angekommen. Es war lange Zeit ruhig hier. Mein letzter Beitrag liegt gute zwei Monate zurück, aber das wird sich nun mit Veröffentlichung dieses Beitrages zwangsläufig wieder ändern. Ich habe lange Zeit nicht den richtigen Ansatz gefunden, um im Rahmen dieses Blogs eine möglichst treffende Einschätzung abgeben zu können. Nun muss ich aber einmal mehr die therapeutische Fähigkeit des Schreibens in Anspruch nehmen. Ein Beitrag, der in dieser Form wohl kaum in das bisherige Bild dieses Blogs passt, aber für mich gerade einfach nötig wird.- Es gibt Dinge anzusprechen. Dinge, die mir keinen Spaß machen. Und doch muss es jetzt einmal raus: weil es mich gelinde gesagt ankotzt. Ich bin in meiner bald zwanzigjährigen Zeit als Anhänger des Kleeblatts noch nie an einem vergleichbaren Punkt angekommen, aber jetzt ist das Maß für mich persönlich so voll, dass ich es herauslassen muss. Ich habe es mir über ein längeres Intervall angesehen und kann mit meinen persönlichen Beobachtungen nicht länger hinter dem Berg halten. Weil es mich wurmt. Extrem wurmt.

Rewind. Das Kleeblatt galoppiert nach holprigem Start mit vier Siegen in Serie durch die englische Woche, um in der Folge zwei äußerst saftige „Fünf-zu-Niederlagen“ schlucken zu müssen, in denen man in einer kruden Mischung aus Pech und Unvermögen regelrecht überrollt wurde. Der harte Boden der Realität, aufgezeigt von den beiden für mich stärksten Mannschaften der Liga. Zwei Mannschaften, die einfach Bock auf Erfolg hatten. – Das Personalkarussell dreht sich munter, jedoch ohne ersichtliche Einflüsse auf die malade Stelle im Kleeblattverbund: der Abwehr. Bereits in dieser Phase zeigt die Mannschaft häufiger über verschiedene Abschnitte der Spiele hinweg ein Gesicht, das Anhänger und Reporter rätselnd zurücklässt. Irgendwie konnte man es medial meistens unter der Kategorie „Sind noch nicht soweit“ verbuchen und weiteren unangenehmen Fragen ausweichen.

Und dann die Krönung der eigenen Indolenz im heutigen Spiel. Man kommt eigentlich ganz gut in die Partie hinein, hat die ersten Spielminuten den nötigen Ballbesitz, um eine spürbare Spielkontrolle zu erreichen. Dann kommt aber wieder das mittlerweile leidig bekannte Gesicht der Fürther Mannschaft zum Tragen. Man verliert über den Verlauf der ersten Spielhälfte hinweg den Zugriff auf das Spiel, lässt einen völlig verunsicherten Gegner langsam in das Spiel finden, da man dem Gegenüber aufgrund von Passivität und naivem Zweikampfverhalten zu viel (Spiel)Raum lässt. Der Gegner bekommt seine Aktionen auf dem Silbertablett geschenkt, Otto Bellinghausen darf ein ums andere Mal unbehelligt die Linie entlang spurten und kann so trotz ungenügender fußballerischer Fähigkeiten wild gestikulierend sein Team mitreißen. Man lässt Distanzschüsse zu. Kurzum genau die Mittel, von denen jeder wusste wissen sollte, dass es der vielleicht einzige probate Schlüssel für den Gegner sein könnte, um nach den zuletzt verheerenden Ergebnissen zu etwas Schwung zu gelangen. Unter Druck setzen? Fehlpässe und Ballverluste des Gegners provozieren, damit dieser weiter in die mentale Negativspirale gezogen wird? Das Stadion zum Murren bringen? Pustekuchen! Wieder dieselbe Leier, wie es sich mindestens phasenweise bereits in den vergangenen Wochen andeutete:
Lethargie. Keine Konsequenz in den Zweikämpfen, lasche Körpersprache, keine Gedankenschnelligkeit. Reaktion auf den Gegner, kaum eigene Initiative. Passivität, dem Gegner den Ball überlassen, den Gegner bis vor den Sechszehnmeterraum spielen und kombinieren lassen. Emotionslosigkeit und scheinbar fehlender Wille, alles zu lasch ausgeführt, kaum spürbare Überzeugung. Zu langsam, zu unkonzentriert. Keine Zielstrebigkeit in den Aktionen, Sorglosigkeit im defensiven Zweikampf und dem Ausspielen guter offensiver Ansätze. In der Summe stellt sich dem gemeinen Fan ein solcher Auftritt dann als teilnahmslose, sterile Darbietung dar. Seinen Stiefel runterkicken und irgendwie darauf vertrauen, dass die fußballerische Qualität schon reichen wird, um ein oder vielleicht sogar zwei Tor(e) zu erzielen und das Spiel für sich zu entscheiden. Dass das in dieser „Scheißliga“ (eine Aussage über die stilprägenden Mechanismen der zweiten Spielklasse, bei der ich mit dem Trainer übrigens absolut d’accord gehe) aber der Wille zur Arbeit erste Bürgerpflicht ist, scheint keine Erkenntnis zu sein, die zu einem Großteil der weiß-grünen Mannen durchgedrungen ist.- Es ist das Momentum, das im Fußball nun mal unabhängig von irgendwelchen Konstellationen aus Tabellenplätzen und Saisonverläufen einen entscheidenden, den Spielgang beeinflussenden Charakter besitzt. Momentum wird im Wesentlichen von einer entsprechenden Einstellung zum Spiel, dem Willen einen Sieg über den Gegner zu erringen, begründet. Von der Gier nach Positiverlebnissen. Und scheint somit etwas zu sein, auf das man aktuell keinen großen Wert legt. Anders kann ich mir zumindest das durchgängig im Trabtempo stattfindende Spiel ohne jegliche Tempoverschärfungen nicht erklären. Oder ist das so geplant? Will man so Fußballspielen? Dann, Herr Trainer, müssten wir ein ernsthaftes Wort reden. Vorstellen kann ich es mir allerdings nicht.

Ich kann der Mannschaft nicht vorwerfen, dass sie nicht Fußball spielen können. Oder wollen. Ganz im Gegenteil, es sind doch einige Jungs dabei, die durchaus etwas mit dem Spielgerät anfangen können. Die mit dem Ball spielen wollen. Aber das klappt nun mal nicht. Nicht ausschließlich. Gerne erinnere ich mich an die schlussendlich siegbringende Kombination im Spiel gegen Braunschweig zurück. Ein Angriff über mehrere Stationen, der durchgehend mit einer Berührung gespielt wurde. Sie können es. Theoretisch. Aber sie bringen es viel zu selten auf den Rasen. Und wenn ich weiß, dass ich einen Gegner – noch? – nicht über neunzig Minuten mit meinen rein fußballerischen Fähigkeiten im Schach halten kann, dann muss man eben auch einmal andere Wege finden, um in eine Partie zu gelangen. Wege, die vielleicht auch mal wehtun oder anstrengend sind. Und an der Stelle habe ich zurzeit zu oft den Eindruck, dass die letzte Bereitschaft fehlt. Und das nervt mich kolossal, hat mich in der laufenden Spielzeit bereits einige Nerven gekostet. Schlussendlich ist das auch der Punkt, der mich so mit der Truppe hadern lässt. Der mich der emotionalen Verbundenheit mit der Truppe beraubt hat. – Ich habe kein Problem mit der Tabellensituation beziehungsweise der bisherigen Ausbeute. Ganz und gar nicht. Ich bin froh, dass man nach der vielzitierten, abgelaufenen Seuchensaison wieder grob in die Spur gefunden hat und – nach aktuellem Stand und mit den besten Wünschen verbunden – wohl nicht viel mit den beiden Polkappen der Zweitligatabelle gemein haben wird. Das war nicht zwangsläufig vorauszusetzen. Und am Ende darf man auf keinen Fall den Fehler machen, mehr zu erwarten oder noch mehr anstreben zu wollen, als das, was uns diese Saison – hoffentlich – als gerechtes Ergebnis bringen wird: einen Platz im grauen Zweitligamittelfeld. Übergangssaison ahoi, Bonjour tristesse.

Meine Lust auf Fußball ist erschöpft. Nicht nur in Bezug auf die Spielvereinigung. Ich weiß nicht, ob das zum „Fansein“ – wie ich diesen Ausdruck hasse – vielleicht auch einfach an einer Stelle mal dazugehört. Vielleicht braucht man irgendwann mal einen Zeitpunkt, an dem man in irgendeiner Form Abstand braucht. An dem es zu viel wird. Zu viele Pressekonferenzen, zu viele Berichte, zu viel Ballyhoo und Bohei. Überinformation, Permanentbeschallung. Presse, Rundfunk, Werbung, Twitter, WhatsApp, Youtube, Privatgespräche. Sogar im Kleiderschrank. Überall ist Fußball, unausweichlich. Kein mentaler Ausgleich, kein Durchschnaufen. Keine Pause. Stress. Andererseits bringe ich es nicht über das Herz einfach mal ein Spiel meines Herzensvereins nicht zu verfolgen. Ich kann nicht einfach nicht ins Stadion gehen oder den Fernseher auslassen. Zwickmühle. Der Fußball hat mir schon so viele tolle Momente beschert, so viele schmerzliche Niederlagen beigebracht. Aber aktuell habe ich den Eindruck, dass diese schönen Momente all den Ärger und Groll nicht aufwiegen können. Schaut man sich die ausgewogene Bilanz des ersten Saisondrittels an, kann das eigentlich kaum erklärt werden. Und doch fühlt es sich so an: es dominiert der Missmut.- Und ist es nicht zwangsläufig auch so, dass man nach so vielen Jahren, in denen man mit seinem Verein reist, fiebert und lebt, vielleicht auch mal an einen Punkt gelangt, an dem man einfach eine Mannschaft vorfindet, mit der man nicht diese emotionale Verbundenheit herstellen kann, wie es bereits früher der Fall war? Es wäre nur logisch. Aber will ich das? Kann ich das akzeptieren? Nein, es frustriert mich. Mein Verein ist einer der größten Fixpunkte in meinem Leben und wird in dieser Hinsicht für meine gesamte Lebenszeit nicht mehr wegzudenken sein. Unabhängig von allen sportlichen Höhen und Tiefen, die man in den virtuellen AGBs der Fußballanhängerschaft blauäugig naiv akzeptiert. Mein Verein steuert – ich möchte es beinahe manipuliert nennen – für eine gewisse Zeit der Woche meine Gefühlswelt. Er entscheidet, wie ich an einem Freitagabend meinen Start in das Wochenende empfinde. Ob ich das in dieser Situation möchte oder nicht. Umso schwerer fällt es mir gerade, mir diese fehlende Identifikation einzugestehen. Mehr noch: Als ich mir nach dem vierten oder fünften Gegentor des SC Grifo das erste Mal diese Frage stellte, bin ich ein Stück weit vor mir selbst erschrocken – ich konnte nicht sicher sagen, ob das „meine“ Mannschaft ist. Ich will das nicht, es soll anders sein. Aber es geht nicht, ich kann diese Empfindung nicht steuern oder gar manipulieren. Ich kann mir nicht selbst in die Tasche lügen. Es frustriert mich. Weil ich es nicht nachvollziehen kann. Wo ist die Gier zu gewinnen? Warum muss ich zähneknirschend mit ansehen, wie wir Spiele verlieren, weil der Gegner einfach mehr Bereitschaft an den Tag legt, um das Spiel für sich zu entscheiden? Warum habe ich in solchen Fällen meistens nach dem Spiel das Gefühl, dass das nicht alles war? – Das alles wurmt mich. Emotional ist die Saison seit dem Abpfiff in Düsseldorf zu Ende. Meine Lust auf Fußball ist erschöpft, wo ich mich doch vor gar nicht allzu langer Zeit noch kurz nach dem Schlusspfiff bereits auf das anstehende Spiel gefreut habe. Wohlgemerkt unabhängig vom Ausgang. Wo ich noch vor gar nicht so arg vielen Wochen so gespannt war, wie sich die neue Mannschaft unter dem neuen Trainer entwickeln wird.

Ich will für mich persönlich in den nächsten Wochen eine Reaktion sehen. Ich möchte sehen, dass man sich die Spielkleidung dreckig macht. Dass man jedem Spieler den unbedingten Willen zum Gewinnen anmerken kann. Galligkeit, Ehrgeiz. Ich verzichte dafür gerne auf irgendwelche Tricksereien oder andere Schönspieleinlagen – Primärtugenden zählen. Ich möchte das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich mich mit all dem Ausgeführten getäuscht habe. – Weil ich diese Mannschaft noch nicht aufgegeben habe. Ich möchte sie ja eigentlich mögen, möchte diese Inklination spüren, aber sie macht mir das aktuell einfach wahnsinnig schwer. Deswegen, liebes Kleeblatt, tut es nicht nur für mich, sondern auch für euch. Verkauft euch nicht weiter unter Wert, kommt in die Gänge. Und gebt euren Anhängern das Gefühl, dass ihr alles euch mögliche ausrichtet, um erfolgreich zu sein. Das würde mir schon genügen, um wieder etwas zufriedener zu sein. Und um diesen Beitrag vielleicht in Vergessenheit geraten lassen zu können.

Vorwärts, Kleeblatt!

Ein Kommentar zu „Verdruss.

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