Gemeinsam?

Pünktlich zum kalendarischen Beginn der zwangsbesinnlichen Jahreszeit brennt auch beim Kleeblatt das erste Licht. Wobei für dieses Licht in unserem Fall eher ein latent loderndes Bäumchen als ein gediegen erleuchteter Adventskranz sorgt. — Wie kam es zu diesem Strohfeuer?

Den Beginn dieser Zeilen tippe ich kurz nach dem Abpfiff in Heidenheim auf der kleinen Tastatur meines Telefons im Reisebus. Ein paar Meter weiter, so gerade noch in Sichtweite am Eingang zum Gästeblock, diskutiert dem Vernehmen nach gerade Rachid Azzouzi mit einem Pulk mitgereister Anhänger. Aus der Entfernung betrachtet wirkt das Gespräch recht ruhig. Das ist insofern bemerkenswert, da diese Diskussion zu diesem Zeitpunkt bereits ihren zweiten Durchgang findet. Bereits beim Gang der Mannschaft vor den Gästeblock nach Schlusspfiff, paradoxerweise in der Intention für die Unterstützung zu danken, waren die Unmutsbekundungen ob der abermals unbefriedigenden Performance der Kleeblatt-Kicker nicht zu übersehen. Und leider waren die Unmutsbekundungen wohl auf dem Feld nicht nur nicht zu übersehen, sondern auch nicht zu überhören. Wie es so oft ist, reagieren im fußballtypischen Mix aus Alkoholeinfluss, fehlgeleiteter Enttäuschung und gekränktem Stolz ein paar Kandidaten in Zaunnähe unreflektiert und schon gibt sich ein Wort das andere. Zwangsläufig fließt böses Blut. Gerade Maxi Wittek und Marvin Stefaniak bekamen, wohl aufgehängt an der Beschäftigung bei ihren ehemaligen Arbeitgebern aus Nürnberg und München, ein paar derbe Kommentare unterhalb der Gürtellinie ab. Ihre Reaktion fiel verständlicherweise entsprechend emotional getroffen aus. Ich verspürte beim Beobachten der Szenerie eine Fremdscham.
Was man sich vergegenwärtigen muss: Die Mannschaft war schon im Begriff im Anschluss an ein vorsichtiges Klatschen und das Zugehen auf den nur noch spärlich besetzten Block in Richtung Kabine abzudrehen, als man kurzerhand doch auf die Gesten aus dem Block einging und den Weg zum Zaun und somit auch den Austausch mit dem mitgereisten Anhang suchte. Das ist in meinen Augen in der heutigen Zeit auch nicht mehr selbstverständlich. Jedoch wurde diese gute Absicht dann mit Füßen getreten und mit verbalen Ausfällen belohnt. Da braucht sich niemand wundern, wenn die Mannschaft unabhängig von den Spielausgängen künftig wieder den deutlich kürzeren Weg in die Kabine einschlägt und auf etwaige Feierlichkeiten verzichtet oder diese auf das Nötigste reduziert.

Doppelhalter mit der Aufschrift "United"
United? — Quelle: spvgg-fuerth.com
Förderlich?

Nein, es ist schlichtweg schäbig, wie man sich als gesamter Block aufgrund der Ausfälle einiger Versprengter präsentierte. Und um das vorweg klarzustellen: Es waren nicht nur die Ultras beteiligt, auch ein paar gesetztere Damen und Herren hatten ihre Emotionen in diesem Moment nicht ihres Alters angemessen im Griff. Zu allem Überfluss ließ Rachid Azzouzi sich beim Vorhaben seine Spieler zu verteidigen, zu einer als kaum besser zu bewertenden, emotionalen Zurechtweisung hinreißen. Anscheinend kommt da gerne der ehemalige Heißspron aktiver Tage wieder in ihm durch, wenngleich auch Rachid einsehen sollte, dass er in seiner organisatorischen Funktion mit einem schlichtenden, bedachten Auftreten besser beraten wäre. Dass das wiederum nicht zu seinen Kernkompetenzen gehört, hat der rüde Umgang mit den Schiedsrichtern in den letzten Monaten schon hinlänglich aufgezeigt. Auch wenn ich in der Causa Spieleranpöbeln Verständnis für sein vehementes Intervenieren habe, ist das keine Art, wie man profesionell auftritt. Es gilt nicht Feuer mit Feuer zu vergelten, sondern einen gemäßigten, lösungsorientierten Dialog zu finden. Dass das grundsätzlich ebenfalls immer möglich ist, sobald sich die emotionale Hektik einmal gelegt hat, beweist er schließlich am Heidenheimer Stadioneingang nicht das erste Mal. Aber – warum denn nicht gleich so?

Somit ist unser Kleeblatt ohne große Not also mal wieder am Scheideweg angekommen – sportlich und kollektiv. Ich finde es bedauerlich, wie es mittlerweile regelmäßig zu solchen Vorfällen kommt. Nein, auch mir gefällt die sportliche Entwicklung aktuell überhaupt nicht. Auch ich habe das Gefühl, dass da eigentlich mehr gehen müsste und noch Prozente in jedem einzelnen Spieler schlummern, die aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht den Weg auf die Spielfelder finden. Auch ich bin frustiert, wenn man saisonübergreifend gefühlt Auswärtsspiel für Auswärtsspiel die gleichen dünnen Ergebnisse angeboten bekommt. Wenn kaum ein Ball den Weg in das beziehungsweise überhaupt ein konstruktiver Angriff den Weg vor das gegenerische Tor findet. Aber deswegen muss man sicherlich nicht den kompletten Bruch mit dem Team proben. Ich habe bisher nicht ausmachen können, dass jemand mit Absicht keine besseren Leistungen zeigt. Egal, wo derjenige vorher gespielt hat oder ob mir dessen Nase gefällt oder nicht. …
Sicherlich muss es erlaubt sein, Kritik zu äußern und auch Dinge zu hinterfragen. Missstände anzusprechen. Mir ist natürlich bewusst, dass man eine solche rational differenzierende Aufarbeitung nicht an einem Blockzaun kurz nach Spielende erwarten kann. Aber der Anspruch sollte das in meinen Augen schon sein, auch wenn er zwischen Testosteron und Emotion zugegenermaßen anspruchsvoll ist.
Gerade in unserem kleinen Verein sollte aber doch jeder Einzelne einschätzen können, wie schwer man es sich unnötigerweise gegenseitig machen würde, wenn das Tischtuch mit dem Team komplett entzweit wäre. Da wird sicher kein Profi mehr 110% für unseren Verein geben, wenn er keine Wertschätzung, sondern persönliche Beleidigungen erfährt. Das sind nunmal die absoluten Basics der menschlichen Interaktion. Der Spielvereinigung fällt schon länger nichts mehr in den Schoß. Da sollte es unser aller Anliegen sein, die wir den Verein im Herzen tragen, so viel Hilfe wie irgendwie möglich zu sein.
Handeln nicht viele unserer Lieder, die wir mit Inbrunst in den Stadien des Landes grölen, vom Zusammenhalt? „Gemeinsam nur nach vorne“ dabei als das Paradebeispiel? Wohl eher „Gemeinsam nur nach vorne solange wir gewinnen oder zumindest in letzter Zeit nicht zu häufig verloren haben“. Oder sind damit nur „wir“ auf den Rängen gemeint, nicht „die da drundn“? Wohl kaum, auch wenn ich mir nicht mehr ganz so sicher bin, wie vor dem Heidenheim-Spiel.
Fordern wir Anhänger nicht immer so vehement Identifikation ein? Identifikation der Spieler mit unserem Verein und allen Beteiligten? So wird das nicht funktionieren können.

Moralisch überlegen?

Machen wir uns außerdem nicht regelmäßig über die Debberli aus der verbotenen Stadt lustig, wenn sie mal wieder den Spielern die Trikots abnehmen oder spontan einen Rapporttermin auf der Raststätte ansetzen? Da muss mittlerweile aber eine Frage schon mal gestellt werden dürfen:
Wo sind wir denn überhaupt noch besser? Moralisch überlegen? Unterscheiden wir uns in dem Bild, das wir nach außen abgeben, wirklich noch wesentlich davon? Präsentieren wir uns nicht auch wie die größten Vollidioten, wenn wir nach einem knapp verlorenen Spiel unsere eigenen Spieler rund machen?
Ohne sagen zu wollen, dass man als Fan nur den braven, zahlenden Kunden mimen muss, der stimmlos das zu konsumieren hat, was er vorgesetzt bekommt, kotzt mich diese Haltung an. Das sind nicht die Werte, die ich teilen möchte. Ich möchte nicht akzeptieren, dass einzelne mit unreifen Äußerungen solchen Schaden anrichten können und darüber hinweggesehen wird. Als ob auf dem Feld unsere Leibeigenen im besten Brot und Spiele Stil für gute Unterhaltung sorgen müssten und die Großkopferden hernach den Daumen heben oder senken, um über ihr Schicksal zu richten.

Ich habe Fürth und seine Leute in über 20 Jahren, die ich die Spielvereinigung mittlerweile begleite, anders kennengelernt. Und ich mag nicht akzeptieren, dass diese anherrschende Haltung das ist, was wir gut finden und wie wir uns präsentieren wollen. Und schlussendlich auch nicht, dass das der Umgang ist, den wir mit unserem Team pflegen wollen.
Unabhängig davon, woher der Spieler gekommen, wie er in Form ist und was wir persönlich von ihm halten, hat ein jeder Spieler, der sich auf dem Feld kompromisslos für unser Kleeblatt einsetzt, unsere Unterstützung verdient. Man muss kein ausgewiesener Fan einzelner Spieler sein, aber man muss sich gegenseitig respektieren. Nur dann gibt es eine Grundlage, auf der „Gemeinsam“ als Leitspruch seine Berechtigung finden und unser Kleeblatt ohne unnötige Grabenkämpfe wieder aufblühen kann.

Sorry Maxi Wittek. Sorry Marvin Stefaniak.

Vorwärts, Kleeblatt!


Ich kann nichts über die Ergebnisse der Aussprache mit Rachid Azzouzi sagen, da ich ihr nicht beigewohnt habe. Vielleicht wären meine Zeilen zwischenzeitlich schon überflüssig, weil die Wogen geglättet und vieles geklärt werden konnte. Vielleicht ist auch bei den beteiligten Spielern schon der Schwamm drüber, wer weiß. Aber wenn ich ehrlich sein soll, finde ich das gar nicht entscheidend. Mir missfällt diese Bimberla Wichtig Mentalität und das Spiel in Heidenheim hat meinen persönlichen Knoten zum Platzen gebracht, um mir meinen Frust darüber einmal von der Seele zu schreiben. Weil ja, es stinkt mir gewaltig.

Quelle: spvgg-fuerth.com