Einmalig?

Wo die mediale Aufbereitung des Fürther Profifußballgeschehens diesertags nur noch selten in einem angebrachten Verhältnis zu den sportlich erzielten Erfolgen steht, richtet sich meine Aufmerksamkeit verstärkt auf die Kommentarspalten der diversen Internetportale und Sozialen Netzwerke. Wenngleich dort offenkundig nicht jede Wortmeldung für einen nennenswerten Erkenntnisgewinn geeignet ist, bleibt beim Querlesen doch allermeist etwas zurück: ein unverblümtes, von Emotionen gezeichnetes Stimmungsbild tief aus der Fanseele. In Zeiten der notwendig gewordenen Stadionabstinenz ein willkommenes Ventil und eine der wenigen Möglichkeiten, um eine Ersatzform von Gemeinschaftserlebnis zu erzeugen.

Wo in dieser Saison bislang vermehrt Lobhudeleien und allgemeine Freude anklangen, schlug der Ton nach der letzten Niederlage gegen den Hamburger Stadtteilverein spürbar ins Gegenteil um. Der Übergang vom unbeschwerten ‚Möglichst viel gewinnen wollen‚ zum ‚Viel verlieren können‚ schwingt deutlich mit.
Und ein wenig verwunderlich ist diese Stimmungsentwicklung ja dann doch. Ziemlich exakt ein Jahr ist es nun her, da erschütterte die weltweite Ausnahmesituation auch den Fußball in seinen selbsterschaffenen Grundfesten. Die Entwurzelung des Profifussballs zeichnete sich, manifestiert durch die unmoralische Grundhaltung seiner so lautstarken wie auch raffsüchtigen Vordenker, in einer solchen Klarheit ab, dass vielen treuen Vereinsanhängern die Identifikation mit ihren Vereinen schlichtweg verging. Demut, Solidarität, Verzicht. Fehlanzeige. Ein krankes Gesamtsystem. Und so ging auch die zuschauerlose Rückrunde der vorangegangen Saison seinen sterilen Gang. Aus der Ferne betrachtet, wollte angesichts immer neuer Hiobsbotschaften wohl nicht nur bei mir keine große Lust auf Fußball aufkommen. Beinahe folgerichtig beendete die Spielvereinigung die Spielzeit mit einem ernüchternden Platz im grauen Mittelfeld.

Ein Sprung in die Gegenwart — Das Kleeblatt mausert sich zu einer Spitzenschaft der Liga und begeistert mit seinem gepflegten Spiel längst nicht mehr nur die regionalen Fußballkenner. Eine zwischenzeitliche Momentaufnahme, die sich über den Verlauf zum nachhaltigen Entwicklungsschritt mauserte. Direkter Aufstiegsplatz, attraktive Spielphilosophie, sympathische Mannschaft. Es ist aktuell diese eine seltene Saison, in der sich viele Einzelaspekte zu etwas größerem zusammenfügen. Unter dem Strich bleibt für uns dann eine Sache stehen: Dass es wieder Spaß und stolz macht, das Kleeblatt zu verfolgen.

Und nun, da die Entscheidungsphase in großen Schritten näher rückt, ist es meine eigene, zwiespältige Gedankenwelt, die mich wenige Spieltage vor dem Ende der Saison eine gewisse Beklommenheit spüren lässt. Und, so ehrlich muss man dann sein, es ist schon auch eine latente Verlustangst vorhanden. Denn Fakt ist wohl — sollte der Spielvereinigung am Ende der Saison die Sensation Bundesligaaufstieg nicht geglückt sein, werden sowohl ablösefreie als auch mit laufenden Verträgen ausgestattete, hochtalentierte Jungprofis das Kleeblatt verlassen. Wohl sogar verlassen müssen. Die verfrühten Ausläufer der Abwanderungswelle können in dieser Hinsicht möglicherweise als Frühindikator interpretiert werden. Da sollte man sich und seiner eigenen romantischen Hoffnung vermutlich einen Gefallen tun und sich bereits frühzeitig mit weiteren anstehenden Trennungen anfreunden. Im besten Fall kann man sich dann vielleicht doch noch positiv überraschen lassen.

Natürlich hat die Spielvereinigung immer wieder erfolgreich die fortwährende Gültigkeit der Spieler kommen, Spieler gehen Denkweise verprobt. Aber diese erfreuliche Episode soll nicht schon wieder ein Ende finden müssen.
Die Konsequenzen eines ausbleibenden Aufstiegs müsste man nach einer solchen Vorzeigesaison also nicht lange skizzieren: Von relativ weit vorne erneut anfangen. Über einige Jahre Aufbauarbeit leisten, um möglicherweise erneut in eine solch aussichtsreiche Situation gelangen zu können.
Wir gröhlen mit dem Brustton der Überzeugung ‚Unser Kleeblatt, das wird niemals untergehen‚, aber möchte auch nur ein einzelner dieses Schicksal ernsthaft herausfordern? Und vor allem — schon wieder?
Es wäre ein gefährliches Pokerspiel, das für die Spielvereinigung nicht zwangsläufig Jahr für Jahr aufgehen muss. Noch viel zu präsent sind die Erfahrungen der Spitz-auf-Knopf-Szenerie in Heidenheim, als dass man diesen Gedanken beiläufig zur Seite schieben könnte.

Viel mehr Vorfreude löst da der gegensätzliche, optimistische Gedanke aus: Eine Saison Bundesliga, mindestens, mit dieser Mannschaft, die die über Fernsehübertragungen verbundene Anhängerschar wieder stolzerfüllt mitfiebern lässt. Die mit Herz und Courage das Kleeblatt vertritt, eine zwischenzeitlich verloren gegangene Identität spürbar werden lässt. Das wären absolut attraktive Voraussetzungen — entgegen des vergangenen Versuchs diesmal auch mit einem Manager, der mit Geschick, Weitblick und Herzblut einen zukunftssicheren Kader zusammenstellt. Ich hätte da schon Bock drauf, unabhängig von den zu erwartenden, sportlichen Durststrecken, die einem gut aufgelegte Topteams nahezu zwangsläufig bescheren würden. Die wirtschaftlich attraktiven Aspekte zur Sicherung der zukunftsnahen Wettbewerbsfähigkeit als Zubrot obendrauf.

Eine einmalige Sache, hieß es vor gar nicht allzu langer Zeit, wäre der letzte Bundesligaausflug für unseren leichtgewichtigen Verein gewesen. Etwas, was nicht jeder Anhänger Zeit seines Lebens erfahren würde können. Sollte es tatsächlich so zeitnah nun nochmal klappen — es wäre ein Erfolg von unmessbarer Tragweite.

Ja, es ist wirklich heiß. Das Tabellenbild im Moment noch verzerrt, die Anzahl der ausstehenden Spiele überschaubar. Es wird auf jeden einzelnen Punkt, auf jede einzelne Minute, auf jeden einzelnen Zweikampf ankommen. Alleine das Lesen der Vorberichte löst bereits eine latente Grundnervosität aus. Der Grund dafür ist das Bewusstsein für die Bedeutung dieser letzten Spiele. Eine Bedeutung, die — unabhängig von den vorgeschobenen Floskeln in den Medienrunden — mit allergrößter Sicherheit allen Aktiven bekannt ist. Die Ausgangslage ist gut, die Mannschaft scheint gewillt. Es wird nochmal auf jeden ankommen. Und es ist vor diesem Hintergrund zum Heulen, dass uns aktuell pandemiebedingt die Füße gebunden sind und keine Möglichkeit besteht, den Jungs auf dem Rasen während des Spiels eine Stütze zu sein. Man möchte ihnen zurufen, dass sie auf ihr Können vertrauen und bei sich bleiben sollen. Dass ihre Mentalität den Ausschlag geben wird.
Mangels Alternativen ja vielleicht per Kommentar im Netz — wer weiß schon, wer da noch so alles mitliest.

Vorwärts und hoch, Kleeblatt!