Transfergerüchte sind erwiesenermaßen ja ein Stück weit der Kleister des alljährlichen Sommerlochs, der abseits von internationalen Fußballgroßturnieren die Spielzeiten des Vereinsfußballs miteinander verbindet. Über mehrere Monate werden die Schlagzeilen in den Sportteilen der internationalen Presseerzeugnisse von vermeintlich bevorstehenden Transfersensationen dominiert. Für Anhänger von betroffenen Vereinen können solche Meldungen vielerlei Wirkung besitzen. Geht der Lieblingsspieler? Muss man einmal mehr die halbe Mannschaft ersetzen? Kann man sich auf einen neuen Star in den eigenen Reihen freuen? Gespannt verfolgt man dann die Neuigkeiten, stellt seine eigene Kandidatenliste zusammen. So sehr ein Großteil der Anhänger in der Sommerpause vom Fußball abschalten möchte: Wenn es um die Personalplanung geht, nimmt man gerne jede Meldung mit. – Das Sammeln, Deuten und Diskutieren solcher Meldungen hat sich unter Fußballinteressierten zu einer derartig beliebten Disziplin entwickelt, dass sich bereits große Internetportale mit angeschlossenen Communities weitestgehend monothematisch damit beschäftigen. Nicht verwunderlich dürfte es daher erscheinen, dass vor dem Hintergrund eines solchen öffentlichen Fokusses auch reichlich kurios erscheinende Meldungen durch den Kanal rauschen. Profilierungszwänge, Sensationsdrang, Marktplatzierung einzelner Spieler durch die Berater – es gibt viele Ansätze, anhand derer man Fake-Meldungen erklären kann. Vermeintliche Insider wollen dann exklusive Informationen erhalten haben oder Fahrzeuge mit auffälligen Kennzeichen auf den Parkplätzen der Vereinsgelände erspäht haben.
Auch ich musste grinsen, als ich im Vereinsforum auf transfermarkt.de den folgenden Eintrag des Users greuther entdeckte:
„Hallo,
Habe heute erfahren das Sararer zurück an den Ronhof kommt meines Wissens nach Vertrag bis 2020. Wechsel wird diese Woche bekanntgegeben.“
„Ein Bekannter von mir hat einen Kiosk in der Innenstadt an dem Sararer früher oft war und gestern kam Sararer zu ihm und dann meinte Sararer das er endlich wieder nach Hause kommt“
Zunächst tut man das als Spinnerei eines Teenagers ab. Oder eines Clubfans, der die Rivalen ein wenig veräppeln möchte. Als eine Kaffeepause später dann jedoch die Vertragsauflösung Sararers mit seinem Arbeitgeber aus Düsseldorf bekannt wurde, änderte sich dieses Empfinden schnell. Die nüchterne Erkenntnis traf, mittlerweile aufgrund einer recht überzeugend wirkenden Nachricht des kickers nicht mehr sonderlich überraschend, am Mittag tags darauf ein:
Sercan Sararer trägt wieder das Kleeblatt auf der Brust, stand inklusive anschließender Verpflichtungsvermeldung beim Trainingsauftakt auf dem Rasen des Trainingsgeländes. Für mich ist (und bleibt) er ein Bestandteil des goldenen Jahrgangs der Fürther Jungs, die damals nahezu synchron den Gleichschritt aus dem Nachwuchs- in den Profibereich schafften, um auf dem Zenit ihrer Zeit bei der Spielvereinigung in die Bundesliga aufzusteigen. Sararer, Prib, Klaus. Man kennt die Namen. Nun könnte man hinlänglich vermuten, dass Sararer bis zum heutigen Tag der Teiltitel des Aufstiegshelden anhaftet und er ähnliches Ansehen genießt, wie es etwa auch bei Eddy Prib, natürlich auch begründet durch seinen goldenen Derbytreffer, bis heute der Fall ist. Fehlanzeige.
Allmächd!
Beim Durchblättern der Reaktionen in den verschiedenen Onlineforen rund um die Spielvereinigung hätte das vorfindbare Spektrum der Rückmeldungen kaum breiter gefächert ausfallen können. Die anfängliche Begeisterung hielt sich doch in Grenzen, wenngleich auch niemand Sararers fußballerische Qualitäten absprechen wollte. Trotzdem hat Sararer nicht erst seit seinem Abschied zum Ende der Bundesligasaison einen schweren Stand beim Publikum. Man warf ihm Eigensinn vor, teilweise musste man den Eindruck gewinnen, dass sein Hauptaugenmerk nicht der Klassenerhalt war, sondern sich selbst ins Schaufenster zu dribbeln der Hauptintention entsprach. Seine offzielle Verabschiedung wurde von Pfiffen begleitet. Irgendwie schien das Tischtuch zum Publikum nur noch an wenigen seidenen Fäden zu hängen, die es von einem kompletten Schnitt bewahrten.
Möchte man allerdings den Transfer kritisieren, muss man sich konsequenterweise kurz vor Augen führen, welche Spieler der Verein im Moment zu verpflichten im Stande ist. In erster Linie, klar: Aufstrebende Talente, die die Spielvereinigung als Durchlauferhitzer auf dem Weg in höhere Ligen nutzen. Keine großartige Identifikation und Bindung zum Verein, aber Motivation sich selbst individuell zu entwickeln. Logisch – es ist nicht der Traum eines jungen Spielers einmal in Fürth zu spielen, leider. Dieses Los wird noch längere Zeit Schicksal unseres Kleeblatts bleiben. Auf der anderen Seite haben die vergangenen Jahre oft die Erkenntnis gefördert, dass es nur mit Jungen eben auch nicht geht. Und da kommen wir zum Punkt: Welche Routiniers soll ein kleiner Zweitligist verpflichten, die konstant und auf einem überdurchschnittlichem Niveau ihre Leistung bringen? Und zudem nicht von Konkurrenten verpflichtet werden, die mit signifikant praller gefülltem Portemonnaie shoppen gehen? Eigentlich können das nur Leute mit einer Delle im Karriereplan sein. Also Spieler, die länger verletzt waren. Die ihr Glück nicht fanden, vielleicht sogar in Ungnade gefallen sind. Die vielleicht Eigenarten besitzen, derer man sich nicht allerorts ausgesetzt sehen möchte. Die in einem ruhigen Umfeld wieder in die verlorene Spur finden möchte. – Sararer ist eben ein solcher Fall. Für mich steht fest: Kann die Spielvereinigung einen Spieler dieses sportlichen Kalibers verpflichten, muss man sich zwingend damit beschäftigen.
Vagabund
Der Wechsel nach Stuttgart verlief für ihn kaum zufriedenstellend, auf wie auch neben dem Feld. In der öffentlichen Darstellung hinterließ er mehrfach einen überheblich-arroganten Eindruck, seine wenigen Einsätze konnte er im Cannstatter Chaosklub nicht nutzen. Eigentlich fällt er während seiner Zeit in den Schwabenmetropole nur mit einer Sache deutlich auf: Als ihm bei 280 Stundenkilometern der Geistesblitz kommt ein Foto des Tachos aufnehmen zu müssen und (hoffentlich erst) später auf Instagram zu teilen. Stevens schiebt seinen fehlmotivierten Hobby-Rennfahrer zur zweiten Mannschaft. Es folgt die Flucht an den Rhein, zu den alten Bekannten Azzouzi und Kramer. Am Ende steht dort eine Saison zu Buche, die gemessen am beinahe katastrophal schlechten Abschneiden der Fortuna erst ihren wahren Wert offenbart: Drei Tore und stattliche acht Assists. Wenngleich man anhand dieser Quote von einer tragenden Rolle Sararers in einer umstrukturierten Düsseldorfer Offensive in der kommenden Spielzeit ausgehen hätte können, wurde – für mich sehr überraschend – der Vertrag aufgelöst. Wenige Stunden später verdichten sich, wie gesagt, die Anzeichen: Für Sararer schließt sich der Kreis, Rückkehr zum Ausbildungsverein.
Einordnung
Nüchtern betrachtet macht die Verpflichtung aus Sicht des Vereins Sinn. Sararer zog vom beschaulichen Fürth hinaus in die schillernde Bundesligawelt, die Glamour, Geld und Ansehen in Aussicht stellte, sich am Ende aber als totaler Reinfall herausstellte. Es reift für Sararer und seine kleine Familie wohl nach einer Zeit des vagabundierenden Herumziehens die Erkenntnis, dass die alte Zeit in der Heimat, im Kreise von Jugendfreunden und Verwandten, doch wertvoller war, als man es damals zu schätzen wusste. Dass Geld nicht alles im Leben ist, Zufriedenheit im jugendlichen Enthusiasmus schnell unterschätzt wird. – Ja, ich gebe zu, dass das erstmal furchtbar schnulzig klingt. Und doch bin ich mir anhand seiner eigenen Aussagen ziemlich sicher, dass sich diese Einschätzung in eine zutreffende Richtung bewegt. Er weiß was er am Verein hat. Und irgendwo ist trotz der Vestimmungen rund um seinen Abgang noch immer so etwas wie Verbundenheit oder Dankbarkeit vorhanden – der bewusste Verzicht auf einen Torjubel bei seinem Treffer im Ronhof sprach da eine eindeutige Sprache. Eine Empathie, die ich Sararer im Vorfeld des Spiels wahrlich nicht zugeschrieben hätte.
Die fußballerischen Fähigkeiten müssen wir hier wohl nicht länger behandeln. Klar ist: Ist Sararer in Bestform, verstärkt er mit seiner Wucht und Schusskraft jeden Zweitligisten. Er ist in der Offensive auf mehreren Positionen einsetzbar und versprüht – positiv formuliert – eine Mentalität, die man in der zurückliegenden Saison stellenweise sehr vermisste. Ein Spieler der Kategorie, die mit ihren Einzelaktionen Partien entscheiden können. Entscheidend wird auch sein, dass Coach Ruthenbeck den richtigen Umgang findet. Sararer braucht gewisse Freiheiten, darf nicht in Kramersche Taktikfesseln gezwängt werden. Abschließend bewertet bewies Trainer Ruthenbeck mit der vergangenen Spielzeit beim Umgang mit Freigeistern wie Gjasula ein Händchen für deren schwierige Charaktere zu besitzen. Lenkt man Sararers südländischen Temperamentmix in die richtigen Bahnen, kann man sich sportlich uneingeschränkt auf ein geläutertes Eigengewächs freuen.
Natürlich ist auch das mahnende Negativbeispiel ohne große Mühe gefunden. Mit der deckungsgleich gelagerten Rückholaktion Schröcks griff der Verein schlussendlich kräftig ins Klo. Ein Cocktail aus altbekannter Verletzungsanfälligkeit, neugewonnenen Starallüren und ungewohnten Extrawürsten brachte diesem einen bezahlten Dauerurlaub inklusive angeschlossener Bewegungstherapie auf den heimischen Philippinen ein. Und somit das vorgezogene Karriereende. Sollte Sararer zunächst Startschwierigkeiten begegnen, werden die Kritiker dem Verein schnell vorwerfen erneut einen im Unterhalt nicht kostengünstigen Fehler begangen zu haben. Ein durchaus schmaler Grat, den die Verantwortlichen im Vorfeld aber mit Sicherheit in Betracht gezogen haben und in die Entscheidungsfindung mit einfließen ließen. Der umtriebig wie auch konsequent erscheinende Neu-Manager Yildirim macht auf mich nicht den Eindruck, dass er dieses Risiko übersehen oder unterschätzen könnte.
Eine Sache ist klar: Egal, wie man bei seiner Verabschiedung oder zu seiner Wiederverpflichtung stand – wie jeder andere Neue hat auch Sercan seine vorurteilsfreie und faire Chance verdient. Ich würde mir aus verschiedensten Gründen wünschen, dass Sercan sich im zweiten Anlauf in die Herzen der Anhängerschaft dribbeln kann. Dem Kioskbesitzer geht es da bestimmt ähnlich.
Gemeinsam nur nach vorne!