Gerade pfeift der aufgrund der vorwöchentlichen Aufregung auffällig unauffällig pfeifende Schiedsrichter Dr. Drees das Spiel in Leipzig ab. Der Moment, auf den ich seit mehreren Wochen gewartet habe, ist nach neunzig und wenigen zerquetschten Minuten erreicht. Das Ende der Saison. Und zwar das endgültige Ende. Es wird kein Nachsitzen nötig sein, wie früher in der Schule nach dem vorsätzlichen Vergessen der freizeitkonträren Hausaufgaben. Eigentlich hätte man ja davon ausgehen können, dass sich dieses Konstrukt aus Emotionalitäten, aufgestaut über den gesamten Saisonverlauf, in irgendeiner Form entlädt. Erleichterung und Freude kommen einem in den naiven Sinn. Aber stattdessen stehe ich in diesem Moment sehr weit oben im Oberrang des gut gefüllten Leipziger Gästeblocks und fühle: Nichts.
Ich weiß nicht, ob euch diese Worte an dieser Stelle überraschen. Ich muss jedenfalls festhalten, dass ich es mir anders vorgestellt hatte. Irgendwie – befreiender. Stattdessen war es wahnsinnig emotionslos. Nein, nicht etwa, weil ich in irgendeiner Form beteiligungslos wäre oder aus politischen Gründen mit meinem Verein abgeschlossen hätte. Ganz im Gegenteil sogar. – Gut, ich muss das doch ein wenig relativieren. Das Spiel vor unseren Augen war mit dem zweiten Gegentor und dem Halbzeitpfiff quasi entschieden. Einmal mehr präsentierte sich die aufgebotene Mannschaft Elf der Spielvereinigung erschreckend harmlos, zahnlos und passiv. Man lässt das Spiel über sich ergehen ohne den Eindruck aufkommen zu lassen, sich gegen die anstehende Niederlage zu wehren. Auf den Rängen blieben die zahlreich mitgereisten Anhänger einmal mehr ob der unmotivierten, destruktiven Spielweise rätselnd zurück. Aber wenigstens ergab sich so die Möglichkeit das Geschehen auf dem Rasen entgegen meiner sonstigen Angewohnheiten ein wenig zu vernachlässigen und mich den Zwischenständen der parallel stattfindenden Spiele zu widmen. Nun, es sah bereits nach zwanzig gespielten Minuten ganz gut aus. Die bereits geretteten Mannschaften schienen sich gegen die Konkurrenz aus dem Tabellenkeller nicht hängen zu lassen und trugen mehr oder minder ihren Teil dazu bei, dass die Spielvereinigung trotz abermals abstiegsreifer Leistung relativ gesichert den Klassenerhalt erreichen konnte, ohne auch nur im Geringsten selbst etwas dazu beizutragen. So plätschert das Spiel ziemlich ereignislos vor sich hin und ich beschäftige mich mehr mit der Diskussion mit meinen Blocknachbarn über all die Missstände rund um den Verein und die Mannschaft, ab und an unterbrochen von einem Beruhigung suchenden Blick auf mein Mobiltelefon. Selbst mit dem Abstand von einer kompletten vergangenen Woche seit diesem Spiel finde ich das alles noch auf eine ganz eigene Art befremdlich. Insbesondere wenn man bedenkt, dass sich die Entscheidung über den Ausgang dieser Spielzeit so sehr auf das letzte Saisonspiel zuspitzte. Und wenn man bedenkt, welche Konsequenzen zwei andere Spielstände auf den entscheidenden Spielfeldern der zweiten Liga hätten haben können. Man darf es sich überhaupt nicht ausmalen.
Abpfiff also. Da sich die Erkenntnis des relativ ungefährdeten Klassenerhalts – zumindest, wenn man nur den vierunddreißigsten Spieltag isoliert von der restlichen Saison betrachtet und die paar Platzrochaden während der neunzig Minuten oberhalb des Striches außer Acht lässt – über die vorherigen siebzig Minuten bereits eingestellt und zunehmend von den letzten Zweifeln befreit wurde, kommt keine Freude auf. Erleichterung nur spurenelementartig. Und wenn Freude aufkeimte, dann nur aufgrund der Tatsache, dass diese grausame Saison endlich ihr Ende fand. Die Mannschaft findet sich nach Abpfiff in kleinen Gruppen zusammen, um minutenlang mit dem Blick auf ihre Handys ihr Gewissen zu beruhigen. Das hoffe ich jedenfalls. Die frohe Kunde scheint angekommen zu sein, wenn man die darauffolgenden gegenseitigen Beglückwünschungen richtig deuten durfte. Ich hatte den Eindruck, dass die Spieler leicht irritiert waren, als sie mit gellenden Pfiffen bedacht wurden. Zwar rollen die angestellten Fußballer des Leipziger Projektvereins zeitgleich eine Dankesfolie aus, mit der man mühelos den Fürther Bahnhof hätte verdecken können, aber das war wohl nicht der Auslöser des bekundeten Missfallens. Die Mannschaft hat bei ihren Anhängern viel Kredit verspielt. Die aktive Fanszene ging mehrmals in Vorleistung, ließ die Mannschaft nie hängen. Es gab regelmäßig Aussprachen mit dem Mannschaftsrat, Ansprachen nach dem Training und allerlei Sonderaktionen rund um die Spieltage. Man wollte wachrütteln, die Mannschaft für die Situation sensibilisieren und sich zumindest selbst nicht vorwerfen lassen müssen, dass man nicht alles gegeben hat. Und doch wurde man als hoffnungsvoller Fan einmal mehr, im letzten entscheidenden Spiel, wieder hängen gelassen und musste sich nach einer stundenlangen Anreise einen blutleeren Auftritt ohne ernstzunehmenden Torschuss ansehen. Liebe Profifußballer, bei allem Verständnis für fehlendes Selbstvertrauen und ohne Wunderdinge vorauszusetzen – das kann es nicht sein! Wo sind denn die obligatorischen Primärtugenden, die als existenzielle Elemente im Abstiegskampf gerne zelebriert werden? Einsatz? Kampf? Mut und Wille? Überzeugung? Nichts. Überhaupt nichts! Will man als Profisportler denn nicht immer gewinnen? Sollte das nicht der Antrieb eines jeden Sportlers sein? Garniert mit unglaublichen fußballerischen Mängeln ergibt sich ein Gesamtbild, das eines Zweitligisten in der Saison nicht das erste Mal nicht würdig war. Vor diesem Hintergrund muss man sich fast beim FC Erzgebirge Aue entschuldigen, die wenigstens diese Tugenden stets gezeigt haben, darüber hinaus immer bestrebt waren aktiv Fußball zu spielen und trotzdem den bitteren Gang in Liga Drei antreten müssen.

Normalerweise bin ich kein Anhänger, der verbal nach jedem Misserfolg sofort auf den Putz haut. Mir ist bewusst, dass auch Profifussballer keine Roboter sind. Der Saisonabschluss in Leipzig hat aber das Fass für mich persönlich zum Überlaufen gebracht. Ich kann verstehen und anerkennen, dass Rasenred Bullsport einen besseren Kader hat. Dass sie über eine fußballerisch begabtere Mannschaft mit tollen Individualisten verfügen, die an einem guten Tag unsere Truppe einfach schlägt. Aber wie das Ganze passiert ist, hat mich wütend gemacht und schlägt mir auch heute beim Gedanken daran noch auf den Magen. Erinnerungen an das Spiel in Heidenheim kommen dabei auf. Prallgefüllter Gästeblock, schöne Choreo zum Anpfiff, lautstarker Support, der nach dem Spiel von Heidenheimern gelobt wird – und dann eine Leistung, die man nicht als solche bezeichnen darf. Nach allen Regeln der Kunst zerlegt worden, kaum gewehrt. Sprachlos.
Ich mache mich auf den ewigen Weg vom Gästeblock zum Parkplatz. Nichts wie raus aus diesem Tempel der unverfrorenen Eventisierung des Fußballsports. Unterwegs kommen mir viele Szenen der Saison in den Kopf. Ich überlege, was wie wo falsch gelaufen ist. Und irgendwie komme ich dabei zu der Erkenntnis, dass das alles in den Verlauf einer Saison passt, die für mich in dieser Form als Außenstehender ohne großartige Informationen über Interna kaum nachvollziehbar ist. Die Ergebnisse und die daraus resultierende Gefühlswelt der Anhängerschaft glichen einer sprichwörtlichen Achterbahnfahrt, deren Ausschläge in der Rückrunde in Frequenz und Amplitude stark zunahmen. Aber führen wir uns den Verlauf der gesamten Spielzeit noch einmal kurz vor Augen.
Die Spielvereinigung kommt mit einem 1:1 auswärts beim hochgehandelten VfL Bochum und einem fulminanten 5:1 im Derby gegen die anstrengenden Nachbarn sehr gut in die Saison. Es folgt eine unglückliche 0:2 Auswärtsniederlage beim späteren Zweitligameister, gefolgt von einem überzeugenden 3:0 Heimsieg gegen ein durchwachsenes Sankt Pauli. Die erste Runde im Pokal verläuft holprig, geht aber nach einem Aufschwung in Halbzeit Zwei ebenfalls problemlos von statten. Man kommt einigermaßen gut aus den Startlöchern, scheint den großen Umbruch nach der niederlagenlos verlorenen Relegation gegen den Erstliga-Dino gut verdaut zu haben. Die Mannschaft fährt respektable Ergebnisse ein, kann aber an den stellenweise tollen Offensivfußball der Vorsaison nicht nahtlos anschließen. Der Knackpunkt kommt für mich irgendwo zwischen dem siebten und vierzehnten Spieltag – einer Phase, in der sich eine Mischung aus Unvermögen und Pech manifestieren sollte, derer man sich in Retrospektive bis zum letzten Spieltag nicht entledigen konnte. Gegen die Löwen zeigt sich das erste Mal in der Spielzeit das seltsam anteilnahmslose Gesicht der Truppe, man verliert sang- und klanglos 0:2. Drei Wochen später trennt man sich von Braunschweig 2:2 – ein Spiel, das man schon gewonnen hatte und erst in der Nachspielzeit aus der Hand gab. Dann folgen die beiden saftigen Heimklatschen gegen Frankfurt und Karlsruhe: 2:5 und 0:3, auch in dieser Höhe absolut verdient. Das nächste Auswärtsspiel gegen die Fortuna endet nach zweimaliger Aufholjagd 3:3 – mit großen Abwehrmängeln. Die Anhänger werden zunehmend ungeduldig, Trainer Kramer erkennt die Zeichen der Zeit und rückt angesichts der ersten öffentlichen Forderungen nach einem Trainerwechsel vom anvisierten Offensivfußball ab, setzt fortan auf eine Stärkung der Defensive, viele lange Bälle und Konteransätze. Es gelingt besser das eigene Tor zu verteidigen, allerdings trifft man vorne die Kiste nicht mehr. Oder viel mehr kommt man überhaupt nicht mehr dorthin. Von den nächsten sechs Spielen enden vier (!) 0:0, die anderen beiden werden 0:1 verloren. Unterbrochen wird die Serie nur von einem sehr glücklichen 1:0 Auswärtssieg am Millerntor. Frank Kramer, der in der Winterpause das System anpasste und mit einer kompakteren Spielweise dem Negativtrend entgegenwirken wollte, muss nach drei Spielen und vier Punkten im Anschluss an die Winterpause seinen Hut nehmen. Man legt ihm eine unattraktive Spielweise zur Last und installiert Mike Büskens, der der Mannschaft zwölf Spieltage vor Saisonende neues Leben einhauchen soll. Der Vorsprung ist zu dieser Zeit noch relativ komfortabel, man scheint nicht in allergrößte Abstiegssorgen mehr verfallen zu müssen.
Auch unter Aufstiegsheld Büskens gelingt keine Trendwende. Die Mannschaft sucht wieder stärker ihr Heil im Erzielen von Toren, destabilisiert dadurch aber die gerade gut funktionierende Abwehr. Von den ersten acht Spielen werden vier verloren, vier enden mit einem einfachen Punktgewinn. Dabei gelingt zweimal ein Punktgewinn nach Rückständen gegen Frankfurt und Berlin, allerdings verliert man auch gegen den zu diesem Zeitpunkt in einer katastrophalen Form befindlichen Abstiegskonkurrenten 1860 München zuhause mit 0:3. Es wird deutlich, dass es für die letzten fünf Spieltage um das pure Überleben in der zweiten Liga gehen wird. Gegen den Aufstiegsanwärter Karlsruhe wirft man durch individuelle Fehler innerhalb von nicht ganz zwei Minunten eine Führung weg und verliert gegen einen schwach auftretenden Gegner unnötig 1:2. Die Mannschaft scheint moralisch angeschlagen, die Durchhalteparolen werden lauter. Die Fortuna ist ein dankbarer Gegner zur richtigen Zeit – 3:0 Heimsieg und ein kleiner Stimmungsaufheller und Selbstvertrauen Booster für die letzten drei Aufgaben. Mit großer Unterstützung geht es zum FC Heidenheim, der irgendwo zwischen Gut und Böse in der Tabelle angesiedelt ist. Wie bereits angedeutet geht man 0:3 baden. Frust und deutliche Proteste der mitgereisten Anhänger. Es stehen noch zwei Spiele gegen Darmstadt und Leipzig an, man musste das Schlimmste befürchten. Der Vorsprung auf die konstant punktende Konkurrenz war endgültig aufgebraucht, zwei Niederlagen wären gleichbedeutend mit dem direkten Abstieg gewesen. Beinahe sensationell kann man das Spiel gegen Darmstadt jedoch noch 1:0 gewinnen – im Endeffekt der Knackpunkt, um eine Woche später aufgrund eines Vorsprungs von einem Punkt und einer Hand voll Toren die Liga zu erhalten.
Was nach einer Saison bleibt, ist in erster Linie eine Menge nötige Aufarbeitung. Schuldzuweisungen sind aus meiner Sicht nur schwer zu treffen, da das Konstrukt aus Unzulänglichkeiten wahnsinnig komplex und verflochten ist. Mit Sicherheit aber war einer der größten Fehler die Kaderzusammenstellung. Es gibt in der Mannschaft schlicht und ergreifend zu viele ähnliche Spielertypen, gerade im Mittelfeld. Zu viele unbewegliche Zerstörer, zu wenig Kreativität. Die offensiven Außen konnten sich allesamt über die Saison nicht bewähren. Bezeichnend, dass hier der „Vorgriff auf die neue Saison“ (Kramer) Tripic oft als erste Alternative, teilweise sogar in der Startelf, eingesetzt wurde. Mehr muss man über die Alternativen auf diesen Positionen nicht wissen. Tom Weilandt kann man leicht ausklammern, da er über den beinahe gesamten Verlauf der Rückrunde mit Verletzungen zu kämpfen hatte, jedoch in der Vorrunde ebenfalls nur selten zu überzeugen wusste. Auch der Sturm hatte kaum Gelegenheiten sich auszuzeichnen. Einerseits hat dies natürlich mit den mangelnden Leistungen und der fehlenden Unterstützung des restlichen Teams zu tun – sie wurden nicht gefüttert -, andererseits blieben auch die Stürmer individuell hinter den Erwartungen zurück. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der in der Rückrunde wenig spielende Przybylko bis zum Ende der Saison Topscorer bleiben sollte. Die Abwehr war von allen Mannschaftsteilen insgesamt noch der solideste. In der Innenverteidigung haben zwar alle dort eingesetzten Spieler aufgrund einzelner Fehler Punkte gekostet, jedoch blieben sie alles in allem noch im zweitligatauglichen Rahmen. Die Außenverteidiger waren da eine deutlich größere Baustelle. Bei Gießelmann kann man nicht endgültig beurteilen, ob er in der letzten Saison über oder in der aktuellen unter seinen Möglichkeiten gespielt hat. Einen Rechtsverteidiger gab es über die gesamte Saison eigentlich nie, trotz diverser Besetzungsversuche. Am ansprechendsten empfand ich da noch den eigentlich offensiven Wurtz in den Spielen gegen Düsseldorf und Darmstadt – aber eben auch katastrophal im Spiel gegen Heidenheim. Tja und im Tor konnte Hesl erst auf Ende der Saison nach dem erlittenen Handbruch im Hinspiel gegen die Löwen zu seiner alten Form finden. Auch er kostete Punkte: gerade beim Auswärtsspiel in Aalen. Flekken hinterließ bei mir einen sehr brauchbaren Eindruck als junger, moderner Torwart mit adäquater Spieleröffnung und keiner erkennbaren Angst beim Herauslaufen – er wird hoffentlich unsere neue Nummer Eins.
Ein weiteres Problem war in meinen Augen, dass sich die neuen Spieler nicht an den Leistungsträgern orientieren konnten, weil diese zu sehr mit ihren eigenen (Nicht-)Leistungen beschäftigt waren. Es gab auf dem Papier zwar eine Hierarchie und einige dieser ominösen „Führungsspieler“, aber auf dem Feld konnte ich kaum einen erkennen. Es fehlte die eindeutige Achse, die den Neuzugängen eine Stütze geben konnte. Auch aus diesem Grund schlug keiner der Transfers so richtig ein. Am ehesten noch Stiepermann, der zumindest mit seinen wichtigen Treffern gegen die Fortuna und Darmstadt einen großen Anteil am Klassenerhalt verzeichnen darf. Ich bin überzeugt davon, dass jeder einzelne Spieler im Kader die Qualität für die Liga hat und individuell „was kann“, aber in dieser Zusammenstellung hat die Mannschaft zu kaum einem Zeitpunkt der Saison funktioniert. Und da es Leute gibt, die für die Lösung solcher Aufgaben bezahlt werden, führt mich das zum nächsten Punkt:
Auch die beiden Trainer tragen ihre Mitschuld an der sportlichen Misere. Frank Kramer schien die Mannschaft nicht mehr hundertprozentig zu erreichen und hatte offensichtlich auch Probleme mit der Führung des Kaders. Spieler wurden in die U23 degradiert, komplett links liegen gelassen oder mit dem erzwungenen Umschulen auf andere Positionen vergrault – ja, ich bin bis heute sauer darüber, dass es ein einzelner Trainer in einer einzigen Vorrunde schafft, den überragenden Spielmacher einer U-Nationalmannschaft solange als Rechtsverteidiger aufzubieten, bis dieser zur Winterpause genervt die Flucht ergreift. Kramer hat allerdings, das muss man ihm zu Gute halten, erkannt, dass die offensive Ausrichtung mit dem zur Verfügung stehenden Kader nicht haltbar beziehungsweise nur furchtbar ineffizient umsetzbar ist und hat zur Winterpause angefangen das System entsprechend umzustellen. Ein im Nachhinein betrachtet korrektes Vorhaben, das ihn im Endeffekt den Job gekostet hat. Büskens, verpflichtet als eine Art Opium für das erzürnte Fangemüt, sollte hier Abhilfe schaffen und die manchmal etwas tranfunzelig daherkommende Truppe motivational und spieltaktisch wieder auf Vordermann bringen. Eine Forderung, der Büskens resümierend nicht standhalten konnte. Er versuchte viel, gerade was die Besetzung seiner altbackenen Grundformation anging, war aber mit seinem Trainerlatein ebenfalls überraschend zügig am Ende. Folgerichtig trennt sich der Verein zum Saisonende wieder von ihm – oder wie man es dort aus Verbundenheit und Dankbarkeit für ihn gesichtswahrend nennt: „Mike Büskens steht für die kommende Saison nicht mehr als Trainer zur Verfügung“. Es gilt Mighty Mike sowohl für das Erreichte seiner ersten Amtszeit als auch für seine kurzfristige Bereitschaft für eine erneute Übernahme zu danken – aber leider war seine zweite Amtszeit auch unter diesen Umständen einfach nichts Erbauliches.
Zu guter Letzt trifft auch die Vereinsführung Schuld. Ich kann als Außenstehender nicht beurteilen, inwiefern dort die Entscheidungskompetenzen verteilt sind, aber die mittlerweile harscher werdende Kritik an Präsident Hack ist sicherlich auch nicht komplett unbegründet. Man wirft ihm vor zu sehr machtanstrebender Alleinherrscher zu sein. Seine Manager sollen zu wenig Mitspracherecht haben und von vornherein nach einer Art Ja-Sager-Mentalität ausgewählt werden. Sicher war auch die kurzfristige Absage des bereits verpflichteten Managers Bornemann unglücklich, da man lange Zeit ohne installierten Manager überbrücken musste. Ein Problem, das sich seit mehreren Jahren wie ein roter Faden durch die Planungen zieht: Man stand zu oft in richtungsweisenden Transferperioden ohne Manager da. Zwangsläufig musste dann hauptsächlich Hack Spieler verpflichten. Ein bisschen, wie in früheren Zweitligajahren. Doch scheint ihn allmählich das glückliche Händchen zu verlassen, kaum einer seiner Einkäufe hat wirklich eingeschlagen. Ankreiden muss man des Weiteren den Zeitpunkt der Trainerentlassung. Nach vier Punkten aus zwei Spielen und frisch aus der Winterpause gekommen, hatte man abgesehen von der subjektiv unattraktiven Spielweise (welche Luxussorgen das sind, wurde vielen wohl erst nach dem Schlusspfiff in Leipzig bewusst) eigentlich kaum einen Grund sich vom Übungsleiter zu trennen. Man tat es trotzdem. Ein Schritt, den man schon zu Beginn der Winterpause hätte gehen müssen, um einem Nachfolger die Zeit geben zu können Grundsätzliches zu verändern. Auch die dafür nötigen Neuzugänge hätten verpflichtet werden können. Diesen Zeitraum ließ man jedoch verstreichen und gab Kramer noch einmal die Chance. Eine Fehlentscheidung des sportlichen Vorstandes, den Büskens und der Verein beinahe teuer hätten bezahlen müssen. – Ich gebe zu, dass das aus der heutigen Sicht heraus alles leicht zu beurteilen ist, aber solche Entscheidungen darf man eben nur treffen, wenn man sich hundertprozentig sicher ist und ein Anschlusskonzept steht. Büskens war in der Hinsicht nur die Option „Durchwursteln“. Ein Stück weit unter der Prämisse „Nur verhindern, nicht aufbauen“.
Anscheinend hat nun jedoch ein Umdenken stattgefunden. Man fahndet gerade händeringend nach einem Trainer, um die Planungen für die neue Saison vorantreiben zu können. Mit Stefan Ruthenbeck soll man sich einig sein, nur die anscheinend undurchsichtigen Ablöseforderungen des abgebenden Vereins verzögern den Abschluss. Ein zeitnaher Abschluss wäre natürlich sehr wünschenswert, da gerade jeder Tag mit Planungssicherheit entscheidend sein kann – schließlich werden gerade die Rosinen vom Transfermarkt gepickt. Mit Kübler, Ofosu-Ayeh und Quaner sind bereits drei Spieler über die Ladentheke gegangen, die ich auch sehr gerne in unseren Reihen gesehen hätte. – Ich muss sagen, dass es mir aktuell äußerst gleichgültig ist, wer neuer Trainer wird und wie dessen Nase aussieht. Ich möchte nur, dass wieder ein klares Konzept verfolgt wird. Spieler ausbilden, eine funktionierende Mannschaft entwickeln, Talente integrieren. Eine Handschrift erkennen können, als Verein für etwas stehen. Das sind die Vorgaben, die erfüllt werden müssen. Und dafür braucht es einen Trainer, der diesen Weg über mehrere Jahre hinweg mitgehen möchte, um zusammen mit der Vereinsführung und den Anhängern wieder etwas Nachhaltiges aufbauen zu können. Das wäre mein Wunsch. Ein Wunsch, den hoffentlich auch die Verantwortlichen so oder so in der Art verfolgen möchten. Dafür wäre wohl ein größerer Umbruch notwendig. Der Kader müsste ausgedünnt und an den richtigen Stellen sinnvoll ergänzt werden. Paradoxerweise wird aufgrund mangelnden Interesses an unseren Spielern nach dieser Saison genau der Umbruch ausbleiben, den man nach den erfolgreichen Spielzeiten nie wahrhaben wollte und der sich schlussendlich trotzdem jährlich ergab.
Wieder zurück aus Leipzig drehen sich meine Gedanken nach guten drei Stunden Diskussionen im Auto noch immer um das dieses Jahr Erlebte. Ich kann meine Gefühle noch immer nicht wirklich einordnen. Eigentlich bin ich leer, aber irgendetwas ist da trotzdem. Ein unterschwelliger Mix aus Frust, Enttäuschung und Erleichterung. Ja, diese Saison hat mir vor Augen geführt, wie vergänglich diese ganze Fußballwelt sein kann. Und sie hat mich die Liebe zu meinem Verein auf eine neue Art kennenlernen lassen. Eine leicht masochistische, wenn ich so an meine Vorfreude auf die zumeist äußerst enttäuschend verlaufenden Auswärtsfahrten erinnere. Erfolgsverwöhnt aus den zurückliegenden Zweitligajahren hat sich ein gewisser Anspruch entwickelt. Ein Anspruch, dem ein kleinerer Verein wie das Kleeblatt wohl zwangsläufig nicht permanent gerecht werden kann. Vielleicht musste es auch irgendwann einfach mal so kommen. Immer um den Aufstieg mitspielen, es dann endlich auch einmal schaffen. Bundesliga spielen, zurück auf der großen nationalen Fußballbühne, wenn auch nur für ein Jahr. Sofort wieder um den Aufstieg spielen. – Ja, man gewöhnt sich an das Gewinnen. Oder zumindest daran, dass es gut läuft. Für Anhänger anderer Vereine wären meine Sorgen während der Saison wohl lange Zeit Luxusprobleme gewesen. Was machen Fans, deren Verein vor dem finanziellen Abgrund steht? Die interessiert sicherlich eine einzelne Spielzeit mit ausbleibenden Ergebnissen herzlich wenig. Und irgendwo muss man sich wohl auch darauf einstellen, dass solche Spielzeiten öfters vorkommen können. Zu weit geht die Schere zwischen den Vereinen mittlerweile auseinander, als dass man ein erfolgreiches Abschneiden noch voraussetzen könnte. Auf die Dauer ist wohl sogar der reine Verbleib in der zweiten Liga ein Geschenk, das man sich hart erarbeiten muss.
Ich bin heilfroh, dass die Saison zu Ende ist. Und ich bin froh, dass der worst case abgewendet werden konnte. Meine Lust auf Fußball ist im Moment stark erschöpft. Zumindest was die aktiv-passive Teilnahme an einem Fußballspiel mit großer emotionaler Verbundenheit angeht. Ich freue mich auf ein paar Wochen Sommerpause und bin trotzdem schon jetzt überzeugt davon, dass ich in zwei Wochen Sehnsucht nach meinem Kleeblatt haben werde. Bis dahin hat jeder Zeit die richtigen Lehren aus dieser Saison zu ziehen, egal in welcher Verbindung man zur Spielvereinigung steht. Sollte diese Saison ein massivster Warnschuss vor den Kleeblattbug gewesen sein und uns die Erkenntnis der Verfehlungen gestärkt in die Zukunft gehen lassen, kann ich diese Saison sehr gut abhaken und harre gespannt der Dinge, die da kommen werden. Bis dahin bleibt aber eine Frage: Quo vadis, Spielvereinigung Fürth?
Gemeinsam nur nach vorne!