Personalunion.

Es kommt bekanntlich in der Karriere eines jeden an einen Zweitligisten gebundenen, ambitionierten Spielers der Zeitpunkt, an dem er sich über seine weitere Karriereplanung Gedanken machen muss. Das Alter nähert sich allmählich dem dreißigsten Lebensjahr, es lockt die vielleicht letzte Möglichkeit auf einen Sprung in die deutsche Eliteklasse des Fußballsports. Eventuell läuft sogar der Vertrag aus. Die letzte Chance auf einen großen Vertrag. Gerne geht man anscheinend als Spieler diesen Schritt. Manchmal mit mehr Erfolg, manchmal mit weniger Erfolg. Aber man möchte sich wohl am Sonnabend der eigenen fußballerischen Schaffenszeit nicht die unangenehme Frage stellen müssen, ob man eventuell mehr hätte erreichen können. Ob man die Chance vielleicht hätte nutzen sollen. Raus aus der meist etwas belächelten Arbeiterliga, rein in die strahlkräftige Welt des Erstligafußballs. Und wenn es schiefgeht – mei, sitzt man eben den Vertrag aus und legt ein paar Groschen auf die hohe Kante.

Auch Stephan Fürstner stand wohl vor einer ähnlichen Entscheidung. Oder, zumindest dachte ich das. Bis gestern Nachmittag. Denn ich muss schon zugeben, dass mich die etwas kurzfristig daherkommende Bekanntgabe des Transfers überrascht hat. Fürstner zum FC Union Berlin. Ähm, ja. Eine seltsame Mischung aus Belustigung und Enttäuschung begleitet mich bei dem Lesen der offziellen Statements der betreffenden Vereine und des Spielers selbst. Nun, ich hätte den Schritt in die Eliteklasse verstehen und nachvollziehen können. Hertha, Hannover, Hamburg. Irgendetwas aus dem – mit Verlaub – leistungsneutralen wenngleich zahlungskräftigeren Mittelmaß der ersten Liga. Irgendetwas mit der reellen Aussicht auf Einsatzzeiten. Ein Verein, bei dem man vielleicht mit dem Abgang eines direkten Konkurrenten auf der Position des Sechsers hätte rechnen können. Diese bereits angesprochene Chance am Schopf packen, irgendwie Durchbeißen im reißenden Strudel aus Leistungsdruck, Undankbarkeit und erfolgsorientiertem Egoismus. – Aber Union? Really? Ein direkter Konkurrent, dem Fürstner anscheinend aktuell eine größere Bundesligaperspektive beimisst, als der Spielvereinigung. Hmm, so sehr ich versuche die weiß-grüne Sehhilfe abzunehmen: Ich kann es nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich ist das aber zu einem guten Teil auch aus dem Satzbaukasten „Ich bin neu bei einem Verein und muss den Leute erzählen, was sie hören wollen“ entnommen. Toller Verein, großartige Fans, sportliche Perspektive und so. Und ja, es tut selbstverständlich auch ein bisschen weh, einen Spieler an einen Verein zu verlieren, den man in der Nahrungskette nicht zwingend als höheres Glied betrachten muss. Mir fehlt bei diesem Wechsel einfach die Konsequenz, die ich von Fürstner auch aufgrund seiner Persönlichkeit erwartet hätte. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fürstner mit dem Ziel Bundesliga den Verein wechseln wollte, die entsprechend lukrativen Angebote jedoch ausblieben und er somit mit der zweiten Berliner Lösung Vorlieb nehmen musste, um seiner gefällten Entscheidung für einen Vereinswechsel treu zu bleiben.
Nein, ich habe nichts gegen die vergleichweise sympathisch daherkommenden Eisernen. Trotzdem fühle ich mich ein wenig enttäuscht. Ja, die Zeit für Fußballromantik ist natürlich längst abgelaufen. Die wenigsten Spieler werden ihre gesamte Karriere über für ein und denselben Verein auflaufen. Für ihren Verein. Für ihre liebgewonnen Leute, auf und neben dem Rasen. Zeitumstellung. Und obwohl man sich mit diesem Gedanken rational betrachtet mittlerweile ein wenig mehr als nur anfreunden muss, trägt man wohl insgeheim doch in jeder vertragsbedingten Entscheidungsphase die seidene Hoffnung in sich, dass sich ein Spieler zum eigenen Verein bekennt. Es gibt ja schließlich doch immer wieder erfreuliche Ausnahmen. #Reus2019.
Ich habe es in einem Gespräch kurz nach Bekanntwerden als fehlendes Rückgrat bezeichnet. Ich bin mir mittlerweile sehr unsicher, ob das der richtige Begriff ist. Fürstner hat nie etwas falsch gemacht. Ganz im Gegenteil – man muss ihm für seinen unermüdlichen Einsatz sehr danken. Er hat stets mit großem Herzen für den Verein geschuftet, oft die Knochen hingehalten, war sich für nichts zu schade. Er hat Verantwortung übernommen. Seit 2009 im Verein, in dieser Zeit zu einer Korsettstange und einem Gesicht der Fürther Mannschaft entwickelt. Zudem auch neben dem Platz großes Herz bewiesen, nicht zuletzt durch seine eigene, gemeinnützige Stiftung. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, hat mehr als nur seinen Job gemacht.

Stephan Fürstner geht. (Copyright: Sportfoto Zink)
Stephan Fürstner geht. (by: Sportfoto Zink)

Ich bin mir sicher, dass nicht das liebe Geld der ausschlaggebende Faktor für den Wechsel war. Union wird das Gehalt auch nicht aus dem vereinseigenen Tresor übermitteln. Oder zumindest war es nicht alleine ausschlaggebend. Vielleicht wollte die Lebensgefährtin aus dem beschaulichen Fürth in die pulsierende Bundeshauptstadt ziehen. Vielleicht gefallen ihm die Gesänge in der Alten Försterei besser. Vielleicht konnte er sich mit unserem Fürther Bier nicht anfreunden. – Aber vielleicht braucht man auch einfach einmal eine Luftveränderung. Rauskommen, etwas Neues sehen. Ja, wenn man so darüber nachdenkt, ist das wohl eine ähnlich große Chance auf Veränderung und persönliche Entwicklung, wie der bloße Schritt in die Bundesliga. – Am Ende kann man nur darüber spekulieren, welche Gründe ausschlaggebend waren. Und, naja. Es macht ja auch eigentlich unter dem Strich keinen Unterschied.
Spieler kommen, Spieler gehen – der Verein bleibt bestehen. Diesen Satz hat wohl jeder trostsuchende, über einen Wechsel enttäuschte Fan schon einmal gehört, vielleicht sogar selber gesagt. An kaum einem anderen Ort, möchte ich behaupten, trifft das aber so gut zu, wie bei meinem Kleeblatt. Ein selbsternannter Ausbildungsverein, der regelmäßig seine besten und somit auch beliebtesten Spieler abgeben muss, um sein Fortbestehen zu sichern. Man kann sich mit diesen gewonnenen Erfahrungen dann doch relativ schnell mit der Überzeugung trösten, dass die entstandene (entstehende) Lücke bestimmt ordentlich ausgefüllt wird. Stillstand ist Rückschritt.

Sportlich lief auch für Fürstner in letzter Zeit nicht mehr viel zusammen. Ja, ich gehe sogar soweit zu sagen, dass er in der aktuellen Situation keinen herben sportlichen Verlust darstellt. So ehrlich muss man sein dürfen und das ist auch kein bisschen böse gemeint, auch wenn es nach verbittertem Trennungsschmerz klingen mag. Trotzdem verlässt natürlich ein verdienter Spieler den Ronhof, der mehrmals als Spielführer auflief und vorallem menschlich einen Verlust darstellt. Deswegen an dieser Stelle, mit der Zuversicht auf ein würdiges und faires Ende einer kleinen Ära:

Danke für alles Geleistete, für den Einsatz und das Engagement für unser Kleeblatt! Und natürlich beste Wünsche für die Zeit in der Hauptstadt. Man sieht sich auf dem Feld, oder gerne auch in der alten Heimat. Mach’s gut!

 


Eiserner Willkommensgruß: „Was Fürstners Verpflichtung für Parensen, Polter und Jopek bedeutet„, Textilvergehen.

 

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