Gefühlschaos.

Von einer sehr geliebten Sankt Pauli Anhängerin ist mir der folgende Beitrag anlässlich des Fürther Auswärtsspiels bei den Kiezkickern zugetragen worden. Was sie mir und euch mitteilen möchte, entnehmt ihr am besten direkt ihren emotionalen Worten:


Jahrelang habe ich mir einen fußballinteressierten Freund gewünscht. Jetzt habe ich ihn gefunden. Und was passiert? Wir teilen zwar das Interesse, nicht aber die Liebe zum selben Verein. Eigentlich kein Problem. Eigentlich. Denn die Spielansetzung will es so, dass unsere Vereine kurz nach dem Kennenlernen gegeneinander spielen. In einer heißen Phase der Saison. Für das Kleeblatt ist es ein richtungsweisendes Spiel: Abstiegskampf oder Mittelfeldgeplänkel. Für den magischen FC geht es um alles. Ein „5 Punkte Spiel“ wie es unser Präsident auf Twitter formuliert hat.

Wir haben länger diskutiert, wie wir das Spiel erleben wollen. Letztendlich wurde es von anderer Seite entschieden. Er blieb aus arbeitstechnischen Gründen zuhause (und hat den Fernseher angeschrien, vermute ich) und ich stand in „meinem“ Stadion, auf „meiner“ Gegengerade mit „meiner“ Bezugsgruppe.

Er war nervös, schrieb er mir mehrmals am Abend. Ich war gleichgültig. Und das ist das schlimmste Gefühl, dass man in einem Fußballstadion mit 23.000 Zuschauern haben kann. Nicht mal die wirklich coole Pyroshow auf dem Bunker konnte mich aus der Lethargie reißen. Verglichen mit meiner sonstigen Art Fußball zu gucken (und vor allem zu kommentieren) erschien ich mir selbst erstaunlich ruhig (man befrage die Bezugsgruppe zum Wahrheitsgehalt dieser Selbsteinschätzung). Der vermeintliche Handelfmeter? Nun, ich habe noch keine Fernsehbilder gesehen. Und im Stadion? Tja, ich war gedanklich und visuell irgendwo anders unterwegs und muss mich daher jeglichen Kommentars enthalten. Ich war mir jedenfalls sofort sicher, dass er ihn zurücknimmt, während andere schon über den Schützen diskutierten. Kein Elfmeter, somit war das 1:0 fürs Kleeblatt vorherzusehen. Über den Schiri wurde wohl genug geschrieben, ich schließe mich der Mehrheit an: Er hat furchtbar gepfiffen, aber wir hätten auch ohne seine fragwürden und kleinlichen Entscheidungen nichts zusammenbekommen. Das Spiel ging dennoch genauso an mir vorbei, wie an Lennart Thy, meinem Lieblingsspieler. Telepathie funktioniert wohl doch, in diesem Falle leider. Es gab ein aufmunterndes (oder tröstendes) „You’ll never walk alone“ nach dem Schlusspfiff und dann noch das übliche – deprimierte – Nachspiel an der Domschänke.

Was ich aber festhalten muss: Die Kleeblatt-Spieler haben sich nicht gerade in mein Herz gespielt gestern. Aus meiner Sicht (immer noch ohne TV-Bilder und natürlich mit der braun-weißen Brille auf) haben sie die Unsicherheit des Schiris gerne angenommen. Sie sind hart in die Zweikämpfe gegangen  (ungeahndet von Herrn Petersen), um selbst bei jeder Miniberührung den sterbenden Schwan zu spielen. Sorry Jungs, sympathisch geht anders. Und wer bei uns mit „Schauspieler-Truppe“ verabschiedet wird, hat sich das im Allgemeinen verdient. Ich bin sehr gespannt auf meinen nächsten Besuch im Ronhof, wenn das dann plötzlich „mein“ Team sein soll. Wir werden sehen inwiefern und wie schnell Kopf, Herz und Bauch vergessen können.

Die tröstenden und liebevollen Worte von meinem Freund hab ich zwar mitbekommen, aber auch nicht mehr als das (jedenfalls nicht sofort nach dem Spiel). Denn für mich sind wir gestern abgestiegen. Ja, ich höre den Aufschrei bis hierher. Aber jeder, der schon mal abgestiegen ist, kennt das: Es gibt für jeden einen anderen Zeitpunkt, an dem es für ihn persönlich „wahr“ wurde. Für mich war das gestern. Daher hab ich das You’ll never walk alone als persönlichen Abschied von Liga Zwei genommen. Ich werde weiterhin zu den Spielen fahren, weiterhin alles tun, um die Jungs zu unterstützen und ich wäre die Letzte, die sich nicht freuen würde, wenn wir am Ende drin bleiben, aber ich hatte gestern Abend einfach das Gefühl „Das wars!“. Und auch heute beim Abschied aus Hamburg hat es sich anders angefühlt, irgendwie so endgültig. Obwohl der Abstieg nicht gleichbedeutend wäre mit „Ich fahr da nicht mehr hin“. Wahrscheinlich wäre der Drittliga-Spielplan sogar besser mit dem Zweitliga-Spielplan der Spielvereinigung kompatibel, denn das ich meinen Freund weiterhin begleiten werde (und er mich), steht außer Frage. Aber dieses dumpfe, gleichgültige Gefühl bleibt momentan bestehen. Aber ich lasse mich sehr gerne wieder fesseln vom Millerntor Roar, von einer kämpfenden, aufopferungsvollen Mannschaft. Allein mir fehlt momentan der Glaube. Und selten habe ich mir doch so gewünscht eines Besseren belehrt zu werden.

In diesem Sinne: Forza FCSP – Denn ganz egal, was auch geschieht, wir werden immer bei dir sein.

Oder um es mit seinen Worten auszudrücken: No matter what.


Vielen Dank für diesen Beitrag, der mich aus verschiedenen Gründen sehr berührt hat.

Ein Kommentar zu „Gefühlschaos.

Kommentare sind geschlossen.