Tragweite.

Auf den Rängen hatte sich schon wieder eine böse Erinnerungen weckende Befürchtung breitgemacht. Unweigerlich waren viele Szenen der vorherigen Saison zurück vor dem geistigen Auge. Eine Spielvereinigung, der man grundlegend gar nicht so viele größere Mängel ankreiden kann, rutscht gegen eine Mannschaft auf die Verliererstraße, die sich weitestgehend beharrlich auf Fehler wartend auf das Verteidigen beschränkt. Die großen Nullen schienen bereits Mitte der zweiten Halbzeit in Stein gemeißelt zu sein. Null Tore, null Punkte. Negativspirale. Alles wieder von vorne. Die lähmende Verunsicherung, welche spätestens nach dem irrsinnigen Spiel in Heidenheim verbannt wirkte — wieder stetiger, nervtötender Begleiter und dauerpräsentes mediales Thema.

Der Umschwung manifestierte sich innerhalb von ein paar kurzen Momenten, als eine Selbstverständlichkeit im Ronhof erstrahlte, wie man es sonst nur aus den großen Stadien Madrids, Paris‘ oder Manchesters gewohnt ist. Der neue Stürmer, den auch in der deutschen Rap-Szene alle nur Keita zu nennen scheinen, stand mit ausgebreiteten Armen da. Weit von sich gestreckt, die Finger gespreizt, unerschütterlicher Blick in Richtung Nordtribüne. Eine Pose, wie sie sonst nur selbstfokussierte Stars der Kategorie Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic zelebrieren würden, um später eine Messingstatue ihres imposanten Anblicks in der Heimatstadt aufstellen zu lassen. Es wirkte, als ob er sagen wollte: Seht ihr, redet und denkt, was ihr wollt, am Ende wird es klappen.
In gewisser Weise könnte Keita tatsächlich genau die Figur sein, die dem Fürther Ensemble zu lange abging. Der Typus Straßenfußballer, der sich trotz aller Unwegbarkeiten angetrieben von Ehrgeiz und dem Drang der Vorurteilswiderlegung durchzusetzen weiß. Spieler a la Kevin-Prince Boateng, die ohne Karriereknick für das kleine Kleeblatt schlicht nicht finanzierbar wären.
Sinnbildlich lief sein persönliches Spiel bis zum Zeitpunkt des ersten Treffers ab: außer ein, zwei geschickten Ablagen und einer unglücklichen Ballannahme agierte Keita recht losgelöst vom Spiel. Ungeachtet dessen, war er aber da, als es ernst wurde. Ein Qualitätsmerkmal, das man bei ehemaligen Spielern, die ebenfalls den Anspruch hatten Führungsspieler sein zu wollen, über sehr lange Zeiträume schmerzlich vermisste. Sicherlich — besonders die Einwechslung von Tobias Mohr brachte die festgefahrene Spielsituation wieder deutlich in Schwung. Insofern war es nicht Keita alleine, dem dieser Kraftakt gelingen sollte. Trotzdem, wer einen sehr entscheidenden Elfmeter in seinem ersten Spiel derartig souverän verwandelt und vorher der Mannschaft im Anschluss an den Ausgleichstreffer die Richtung wies, der darf dann auch als hoffentlich neues Sinnbild dienen. Als Sinnbild für die gewachsene Mentalität, die die weitestgehend unveränderte Mannschaft aus der Aufholjagd der Vorsaison ziehen konnte. Denn eins ist auch klar: Vor ein paar Monaten hätte der Gegentreffer bereits weit vor Ende des Spiels den Ausgang besiegelt.

Man muss nicht lange spekulieren, welche immensen Wert der Auftaktsieg hatte. Nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für das Umfeld. Die Gefahr, erneut in eine Negativspirale zu rutschen, war im Stadion beinahe greifbar und konnte schlussendlich abgewendet werden. Man muss sich an dieser Stelle kurz vor Augen führen: Für das Erreichen des aktuellen Punktestand benötigte man zur vergleichbaren Zeit des letzten Jahres unfassbare sechs Spieltage! Nun ist man die beklemmende Null los, sowohl auf der Punkteseite, als auch auf der Erzielte-Tore-Seite. Umso wichtiger wäre es nun, auch die unbegründbare Auswärtsmiesere bereits im zweiten Spiel entschärfen zu können. Es wäre nämlich schon spannend, was diese Mannschaft mit ein wenig mehr Selbstvertrauen und Selbstverständnis leisten könnte.

Das Ergebnis und der Weg dorthin dürfen allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass besonders in der ersten Halbzeit wieder eklatante Schwächen zu erkennen waren, die in einem überraschenden Maß an einige vergangene Spiele unter Buric‘ Führung erinnerten. Die Anbindung der Stürmer im vielzitierten letzten Drittel und das kompakte Defensivverhalten, aber auch die Kreativlosigkeit in der gegnerischen Hälfte müssen dringend adressiert sowie in naher Zukunft verbessert werden. Erst die taktischen Umstellungen nach den Einwechslungen von Mohr und Atanga verhalfen zu Überraschungsmomenten und einer gesteigerten Durchschlagskraft in Richtung des gegnerischen Tors. Auch Trainer Damir Buric muss beweisen, dass seine Spielidee eine weitere Entwicklungsstufe erreichen kann. Lediglich die Verbesserung der defensiven Einigermaßenstabilität und das Integrieren einer Vielzahl wendiger, rochierender Offensivspieler wird auf Dauer zu wenig Fortschritt sein, um das Kleeblatt nicht nur kurzfristig aus den Tabelleniederungen führen zu können. Essentiell ist in diesem Zuge weiterhin auch die Verpflichtung eines, am besten routinierten, defensiven MIttelfeldabräumers, der auch im Aufbauspiel eine gewisse Grundkompetenz aufweisen kann. Besonders wenn sich in den kommenden Tagen herauskristallisieren wird, welche Kaderzusammenstellungen die Bundesligatrainer präferieren werden, muss Rachid Azzouzi bei aller finanzieller Engpässe die Aussortierten und Liegengebliebenen genauestens unter die Lupe nehmen—und im Zweifelsfall auch einen Teil der Narey-Erlöse reinvestieren. Vielleicht verspühren auch die Vertragslosen allmählich einen stärkeren Zugzwang, an eine Anschlussanstellung zu gelangen. Auch wenn bei Azzouzi nicht von einer derartig blauäugigen Naivität auszugehen ist, sollte man nicht wie zu Yildirims Regentschaft Schlüsselpositionen sehenden Auges un- beziehungsweise unterbesetzt lassen.

In gewisser Weise darf so ein Neuer auch der komplette Gegenentwurf zum neuen Torjäger sein. Gegen einen ähnlichen Stellenwert für das Fürther Spiel würde sich aber sicher keiner wehren.

Vorwärts, Kleeblatt!

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